Wer bald an der Spitze von Bayer stehen könnte
B|P - Geschäftsführer Kaan Bludau erklärt in der WirtschaftsWoche, worauf es bei der Nachfolge von BAYER CEO Werner Baumann ankommt.
WIRTSCHAFTSWOCHE: HERR BLUDAU, WIE WIRD DIE NACHFOLGE BEI BAYER GEREGELT? WICHTIGE AKTIONÄRE WIE DEKA ODER UNION INVESTMENT FORDERN EINEN SCHNELLEN CHEFWECHSEL. KOMMT DER ODER DIE NEUE CEO VON AUßEN? ODER GIBT ES EINE INTERNE LÖSUNG?
Kaan Bludau: Ich bin eigentlich ein großer Fan von internen Lösungen. Das Risiko des Scheiterns ist dabei geringer, weil der oder die Neue das Unternehmen gut kennt. Und es bringt weniger Unruhe in die Belegschaft. Bei Bayer wird es aber wohl auf eine externe Besetzung hinauslaufen. Der Druck vieler Investoren, eine Managerin oder einen Manager von außen zu holen, ist einfach zu groß. Durch die Monsanto-Übernahme hat die Bayer-Aktie massiv an Wert verloren - und Bayer-Chef Werner Baumann ist es nicht gelungen, die Aktionäre zu beruhigen. Das hat jetzt Priorität. So richtig drängt sich ja auch kein interner Kandidat auf, sonst würde nicht so heftig über eine externe Lösung diskutiert.
WIRTSCHAFTSWOCHE: WO WÜRDEN SIE DENN NACH EINEM ODER EINER NEUEN BAYER-CEO SUCHEN?
Kaan Bludau: Ich bin nicht von Bayer mit der Suche mandatiert, bringe aber reichlich Erfahrung in der Pharmaindustrie mit. Ich würde in der Agrar-, Chemie- und Pharmaindustrie suchen, bei den Herstellern rezeptfreier Medikamente, aber auch in angrenzenden Bereichen wie Biochemie, Tiermedizin, Diagnostik oder Medizintechnik. Es muss eine starke Persönlichkeit sein, öffentlichkeitswirksam, krisenerprobt, mit Erfahrungen in einem Konzern ähnlicher Größe und internationalen Standorten. Ideal sind auch Kenntnisse des US-Rechtssystems und Erfahrungen bei der Aufspaltung von Unternehmen, was ja viele Bayer-Investoren fordern. Und selbstverständlich muss sich der oder die neue Bayer-CEO mit Digitalisierung, Lieferkettenproblemen und Klimarisiken auskennen und die ESG-Regeln beherrschen - Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und gute Unternehmensführung. Darauf achten die Anleger immer mehr.
WIRTSCHAFTSWOCHE: WELCHE NAMEN FALLEN IHNEN DENN JETZT EIN FÜR DIE BESETZUNG AN DER BAYER-SPITZE?
Kaan Bludau: Emma Walmsley, die Chefin des britischen Pharmakonzerns GSK. Oder Belen Garijo, die Merck führt. BASF-Vorstandsfrau Saori Dubourg und Lanxess-Chef Matthias Zachert sind für mich auch Kandidaten. Im Auge hätte ich auch Ken Seitz, den CEO des kanadischen Düngemittel-Herstellers Nutrien.
WIRTSCHAFTSWOCHE: DER REIHE NACH. GLAUBEN SIE, DASS BELEN GARIJO, DIE ERST SEIT MAI 2021 AN DER SPITZE VON MERCK STEHT, VON DARMSTADT NACH LEVERKUSEN WECHSELN WÜRDE?
Kaan Bludau: Das hängt natürlich von ihrer persönlichen Situation ab und davon, ob sie ihre Aufgabe bei Merck schon als abgeschlossen betrachtet. Frau Garijo ist allerdings bereits über 60 Jahre alt. Eine jüngere Kandidatin ist wahrscheinlicher, gerade wenn man die derzeitigen Präferenzen der Investoren berücksichtigen will. Ich würde Emma Walmsley von GSK für eine smarte Besetzung halten.
WIRTSCHAFTSWOCHE: WAS SPRICHT FÜR EMMA WALMSLEY - AUßER IHREM ALTER?
Kaan Bludau: Sie ist 53 Jahre alt und hat damit noch einige Zeit vor sich. Sie bringt zudem Erfahrungen aus anderen Branchen mit, hat zuvor bei L'Oreal und Microsoft gearbeitet. Zudem hat GSK gerade sein Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten abgespalten. Bei Bayer fordern ebenfalls viele Investoren die Trennung von freiverkäuflichen Medikamenten, also Aspirin & Co.. Die entsprechenden Erfahrungen würde Frau Walmsley also mitbringen.
WIRTSCHAFTSWOCHE: SIE NANNTEN AUCH SAORI DUBOURG, DIE IM VORSTAND DER BASF LANGE DAS AGRARGESCHÄFT VERANTWORTETE. IM BASF-VORSTAND SOLL FRAU DUBOURG ALS EINZIGE GEGEN DEN AUSBAU DES CHINA-GESCHÄFTES GESTIMMT HABEN. GILT SIE DAMIT JETZT ALS QUERTREIBERIN, DIE FÜR HÖCHSTE ÄMTER NICHT MEHR TRAGBAR IST?
Kaan Bludau: Ganz im Gegenteil. Das zeigt doch, dass sie über Profil, Standing und Charakter verfügt. Sie ist krisenerprobt und könnte auch gut die Interessen und Bedürfnisse von Medien und Investoren und anderer relevanter Gruppen, bis hin zu externen Kritikern, bedienen.
WIRTSCHAFTSWOCHE: LANXESS-CHEF MATTHIAS ZACHERT KANN EBENFALLS GUT MIT DEM KAPITALMARKT KOMMUNIZIEREN.
Kaan Bludau: Deswegen gilt er seit längerem als Kandidat. Von Alter her würde es auch passen; Zachert ist Mitte fünfzig. Und er bringt reichlich Erfahrungen aus der Pharma- und Chemiebranche mit, er war unter anderem bei Hoechst und Merck.
WIRTSCHAFTSWOCHE: SIE ERWÄHNTEN KEN SEITZ, DEN CEO DES DÜNGEMITTELKONZERNS NUTRIEN. WAS QUALIFIZIERT IHN?
Kaan Bludau: Ken Seitz hat sein Berufsleben bislang vor allem in Kanada verbracht und bringt eine Menge internationaler Erfahrung mit. Er könnte ein Überraschungs-Kandidat sein. Ich würde ihn aber nicht auf eine Stufe mit den bisher genannten Namen stellen.
WIRTSCHAFTSWOCHE: GROßE BAYER-AKTIONÄRE WIE DIE FONDS UNION INVESTMENT UND DEKA HABEN ZULETZT EINEN RASCHEN FÜHRUNGSWECHSEL GEFORDERT. DER VERTRAG VON CEO WERNER BAUMANN LÄUFT NOCH BIS FRÜHJAHR 2024. SOLL BAUMANN SOFORT GEHEN, SOBALD EINE NACHFOLGERIN ODER EIN NACHFOLGER GEFUNDEN IST?
Kaan Bludau: Das sehe ich nicht so. Zu einem geordneten Übergang gehört es, dass der oder die Neue eingearbeitet wird - vom amtierenden Vorstandschef. Das kann, je nach Branche und Expertise, bis zu einem Jahr dauern.